I. Über Kwacakworo

Stationen auf dem beruflichen Lebensweg

Geboren am 31. August 1943 in Davos, als Sohn des Malermeisters Paul Perner und seiner Gattin Marianne Perner-Schröder, als Bruder der vier Jahre älteren Schwester Burga.

  • Primar- und Mittelschule in Davos. Eine Jugend in den Bergen.
  • Rekrutenschule (Artillerie) in Frauenfeld, anschliessend
  • Studien in Frankreich (Aix-en-Provence), Schweden und Zürich. Studien der französischen, skandinavischen und vergleichenden Literatur, namentlich bei Prof. Paul de Man und Professor Georges Poulet.
  • Promotion in Vergleichender Literaturwissenschaft (Prof. de Man) mit der Dissertation „Eine Nacht am Horizont“ (über den schwedischen Dichter Gunnar Ekelöf und den französischen Dichter Stéphane Mallarmé); als Buch erschienen bei Helbing&Lichtenhahn, Basel.
  • Danach, 1969-1971 Professor für französische Sprache und Literatur an der (unter belgischer Leitung stehenden) Freien Universität des Kongo (in Kisangani). Rückkehr in die Schweiz mit dem Auto via Zentralafrikanische Republik, Tschad, Kamerun, Nigeria, Niger und Algerien.
  • Delegierter des Internationalen Komitees des Roten Kreuzes (IKRK): 1972 in Bangladesh, 1973 in Vietnam und 1974 in Indien.

Reisen nach Thailand, Indonesien (Bali, Flores) und Nepal.

  • Ende 1974 bis 1976 Professor für französische Literatur in Khartoum (Sudan).
  • 1975 erste Reise in den Südsudan zur Vorbereitung eines Forschungprojekts über mündliche Literatur.
  • 1976-1983 Forschungen beim Stamm der Anyuak im Südsudan (Fonds zur Förderung des akademischen Nachwuchses der Universität Zürich und Schweizer Nationalfonds für wissenschaftliche Forschung), bis 1983 (Ausbruch des Bürgerkrieges).
  • Zusammenfassung der Resultate der Feldforschungen in einer achtbändigen Monographie: „Living on Earth in the Sky: the Anyuak„, erschienen bei Schwabe-Verlag, Basel.
  • Wörterbuch Anyuak-English-Anyuak. (1983-1988, publiziert von HRAF, Yale)
  • 1989-1992 Delegierter des IKRK im Sudan, zunächst in verschiedenen Sub-Delegationen, danach als Verantwortlicher der Delegation für den Südsudan in Lokichokio. Dramatische Kriegserlebnisse, besonders auch die Rettung der 10’000 Kindersoldaten („lost boys“).
  • Gastprofessor an der Universität Nanterre und La Sorbonne in Paris
  • Berater des IKRK für den Südsudan.
  • 1993-1994 Berater von Unicef und 45 anderen im Südsudan engagierten Hilfsorganisationen.
  • Verfasser von verschiedenen Studien für Unicef und Unesco (Buch über das Sexualverständnis der Südsudanesen: „But you know… darkness is a big thing„)
  • Delegierter des IKRK in Afghanistan (1995-1997)
  • Delegierter des IKRK in Usbekistan, Khazakstan, Turkmenistan, Kirgistan und Tadschikistan (1998-1999)
  • Delegierter des IKRK in Kongo-Brazzaville (2000)
  • Erster Kommandant der internationalen Friedenstruppen (JMC) im Sektor der SPLA-Freiheitskämpfer in den Nuba Bergen im Sudan. (2002)
  • Berater („senior peace advisor“) des Schweizer Aussenministeriums für Friedensbildung im Südsudan („House of Nationalities„-Programm/ Gurtong Webseite 2002-2008). Umfangreiche Dokumentation über Friedensbildung im Südsudan (18 Bände) und eine Übersicht über alle Stämme im Südsudan (z.H. des EDA,veröffentlicht auf Gurtong).
  • 2011 Erster Ehrenbürger des Südsudans
  • 2011-2013 Autobiographie „Why did you come if you leave again?; das Buch erschien 2016 in Farbe, 2017 in schwarz/weiss und als E-book (Xlibris-Verlag, Bloomington, USA)
  • 2016 Publikation des letzten und Cachten Bandes der Monographie über die Anyuak.
  • 2015-2018 Autobiographie über die Zeit als Delegierter des IKRK im Südsudan, in Zentralasien, in Afghanistan und im Kongo-Brazzaville: „Jeder Schritt ein Abenteuer!, Erinnerungen eines IKRK-Veteranen“.

Einblicke in meinen privat zurückgelegten Lebensweg

In der Aufzählung der verschiedenen Stationen eines beruflichen Lebenswegs (dem sogenannten Curriculum Vitae) fehlen Hinweise auf Aktivitäten und Interessen, die mit der täglichen Arbeit direkt nichts zu tun haben. So zeugt meine Monographie über den Stamm der Anyuak – zum Beispiel – zwar von der Kultur eines Volkes im Südsudan, übergeht dabei aber die abenteuerliche Geschichte der Forschungen und lässt die Persönlichkeit des Ethnographen, seine physischen Kräfte, seine intellektuellen Fähigkeiten, seine sozial-politische Einstellung und seine künstlerischen Interessen nur indirekt erahnen. Wenn man einen Lebenslauf auf Daten, Fakten und berufliche Tätigkeiten beschränkt erfährt man kaum etwas über Erlebnisse, Erfahrungen, Abenteuer, Gefühle und Gedanken, über Frustrationen, Enttäuschungen, Verluste, Ängste und Hoffnungen, über Visionen oder die lebenswichtigen Beziehungen zu anderen Menschen.

Temperament und Gefühle

Fast alle Menschen, die mir im Leben begegneten, schienen meine fröhliche Art, meinen Humor und den Respekt, den ich ihnen entgegenbrachte, zu schätzen. Ich machte keinen Unterschied zwischen «wichtigen» und «einfachen» Menschen, war verständnisvoll und grosszügig, freundlich und interessiert, meistens positiv, nur selten emotional und nie verletzend, meist gut aufgelegt und äusserlich ruhig. Ich war ehrlich, bescheiden und verfolgte keine Eigeninteressen, mein Einsatz für das Wohl der Menschen erschien ihnen glaubhaft. Man bewunderte meinen Mut, meinen Tatendrang und meine Ausdauer, man fühlte sich wohl in meiner Gesellschaft, befreit von sozialen Zwängen und Vorurteilen. Mein von Sympathie bestimmter Humor war die Brücke zwischen den Menschen und ihren verschiedenen Kulturen. Ich wurde von allen respektiert und von sehr vielen Menschen geliebt; Feinde hatte ich meines Wissens zeitlebens keine.

Ich blieb ein Einzelgänger, auch in Gesellschaft. Mein fehlendes Selbstbewusstsein zwang mich, den Sinn meines Lebens in anderen Menschen zu suchen und durch sie mich selbst zu finden. Ich wollte mein Leben nicht auf mich selbst beschränken. Äusserlich ruhig, unerschrocken, einsatzbereit, zielstrebig und dabei nie um mein Leben fürchtend, war ich innerlich orientierungslos, fühlte mich verloren in meiner eigenen Wildnis; ich war aufgewühlt von Zweifeln am Sinn meines Tuns, ständig mit meiner existentiellen Einsamkeit und gegen eine Brandung von selbstmörderischen Gedanken kämpfend. Mein Körper war stark, offen, fröhlich und unternehmungslustig, aber gleichzeitig war ich verwundbar und selbstkritisch bis zur Selbstzerstörung; es fehlte mir an Ehrgeiz und so war es mir unangenehm, für meinen Einsatz gepriesen zu werden; soweit es möglich war vermied ich öffentliche Auftritte. Wirklich glücklich fühlte ich mich nur, wenn ich die Früchte meiner Arbeit mit Händen greifen konnte, also bei der Erfüllung konkreter, meist handwerklicher oder schöpferischer Aufgaben – denn dabei konnte ich mich selbst vergessen. Im Innern war ich kraft- und mutlos, verloren im Dunkel meiner Gefühle, – aber Freundinnen und Freunde zerrten mich immer wieder ans Licht und schenkten mir die Kraft der Liebe, gegen meine Selbstzweifel anzukämpfen, meine grundsätzlich positive Lebenseinstellung zu behalten und fröhlich zu bleiben. Ich hatte das grosse Glück, überall von wunderbaren, guten Menschen umgeben zu sein und von ihnen bedingungslos unterstützt zu werden.

Vom vorgezeichneten Weg abgekommen

Die Frage, weshalb es überhaupt zu meiner in mancher Hinsicht doch aussergewöhnlichen Lebensgeschichte kommen konnte, ist müssig – vermutlich hat es viel mit meiner Jugend in den Bergen und meinem frühen Interesse an Büchern zu tun. Was wäre mir geschehen, wenn ich in einer Grossstadt aufgewachsen wäre? Ein Revolutionär, ein Mathematiker, ein Handwerker, ein Journalist, ein Jurist, ein Strassenarbeiter, ein Professor für Menschenrechte, ein Sänger oder gar ein Dichter? In meiner unbeschwerten Jugend in den Bergen kam wohl ein Stein ins Rollen, und alles, was danach geschah, war nur eine mehr oder weniger logische Folge dieser frühen Bewegungen und gewissen, mir bis heute unbewussten Erderschütterungen während der Kindheit. Mein Urgrossvater, Grossvater und mein Vater hatten in Davos ein Malergeschäft geführt, und so hätte wohl auch ich den Beruf eines Malers erlernen und das Geschäft weiterführen sollen; aber aus unerfindlichen Gründen war ich von dem mir vorgezeichneten Weg abgekommen und verliess meine schöne, geliebte Heimat bereits im Alter von neunzehn Jahren; erst nach der Pensionierung kehrte ich wieder ins Haus meiner Eltern nach Davos zurück.

Eine abenteuerliche Jugend in den Bergen 

In meiner Kindheit und frühen Jugend gab es scheinbar wenig Raum für Sentimentalitäten. Meine Liebe galt der Natur im Allgemeinen und den Bergen im Besonderen, sie war bis zum Rande angefühlt mit abenteuerlichen Erlebnissen, sei es beim Klettern, auf Skitouren oder mit Pferden. Ich war in Davos, einem Paradies in den Bündner Bergen, auf die Welt gekommen, wuchs in dieser herrlichen Landschaft auf und fand in ihr meine ganze Kraft und Lebenslust. Ich weiss nicht, ob ich als furchtloser Abenteurer geboren war oder erst während dieser Zeit vom Bedürfnis gepackt wurde, immer wieder neue Herausforderungen zu suchen, Gefahren zu überwinden und Unbekanntes zu entdecken. Während der Primarschule spielte ich im Winter Eishockey beim HCD und ging mit meinen Eltern auf Blumen- und Beerensuche, doch danach wurde ich Mitglied des Alpenclubs und verbrachte meine Wochenende fortan in den Bergen, wurde zum kühnen Telemarkskifahrer und bald zum erfahrenen Alpinisten, letzteres in Begleitung berühmter Bergsteiger wie André Roch und den Gebrüdern Reiss oder gleichgesinnter Schulfreunden. Freie Nachmittage verbrachte ich auf dem Rücken von Pferden oder mit den Pfadfindern vom Stamm Greifenstein der Abteilung Pro Pace. Der Rest der Schulzeit war Büchern gewidmet, von Karl May angefangen bis hin zu Albert Camus… Wahrscheinlich hatte ich meine unersetzliche Liebe zu Büchern und mein Bedürfnis zu schreiben von meinem Vater mit in die Wiege bekommen, und mit ihr allerdings – leider? – auch die fehlende Lust am Tanzen und an öffentlichen Vergnügungen. Berge und Bücher hatten mich zum waghalsigen Einzelgänger gemacht, ich war einsam und menschenscheu, aber durch meine Eltern lernte ich auch, die Menschen «mit der Seele» zu suchen, sie zu lieben und mit ihnen fröhlich zu sein. Von wo meine Sucht nach Alleinsein und gleichzeitig mein Bedürfnis von Gesellschaft kam, weiss ich nicht wirklich. Ich war asozial, anarchistisch, rebellisch und unvernünftig, gleichzeitig aber auch sozial gesinnt, verständnisvoll, rational und äusserst grosszügig.

Rückblickend sind in meinem Leben einige Konstanten, die das Rückgrat meiner physischen und geistigen Existenz gebildet haben, auszumachen.

Der instinktive Drang nach Freiheit und Natur

Die erste und grundlegendste dieser Konstanten war der instinktive Drang, im Freien zu leben und das Weite zu suchen, nicht (nur) als Flucht vor der Wirklichkeit, sondern (vor allem) als Möglichkeit zur Selbstfindung. In der Natur fühlte ich mich wohl und zuhause, sei es in den Bergen, in Wäldern, an Flüssen und Seen – nur das Meer mit seinen erbarmungslos gewalttätigen Wellen und glotzenden Fischen blieb mir fremd und unheimlich (das Mittelmeer erschien mir hingegen wie ein grosser See aus warmem Licht). So verbrachte ich die meiste Zeit im Freien, in den Bergen oder in der Savanne, in Gärten, auf Balkonen oder an Lagerfeuern vor meiner Hütte; die Natur öffnete mir den nötigen Raum für Begegnungen und Gespräche, aber selbst beim Nachdenken, beim Lesen oder Schreiben von Büchern suchte ich den offenen Himmel und frische Luft.

Die Sucht, die Welt zu gestalten und sich in ihr einzurichten

Eine Konstante, die mir erst später bewusst wurde, war mein Bestreben, mich in meiner Welt möglichst wohl zu fühlen und sie nach meinem Geschmack zu gestalten. Meine Umgebung war Teil meines täglichen Lebens, nicht nur in der freien Natur, sondern auch in meinem Wohnraum. Schon als Kind hatte ich mit meinen Freunden ständig Hütten gebaut, sei es auf Bäumen, in Scheunen oder in Kellern, aus Holz, Getreidesäcken, Tüchern oder Harassen, und später im Sudan baute ich mir eigene Hütten und oder verwandelte bestehende Räume (sogar Hotelzimmer!) in möglichst erholsame Oasen des Wohlbefindens. Meine Begabung für Handwerk und meine Suche nach ästhetischem Genuss halfen mir bei dieser Suche nach Harmonie, Ruhe und Schönheit. Mein Gestaltungsdrang liess in allen Ländern und in noch so kargen Landschaften zauberhafte Gärten entstehen, aus Sand, Steinen, Kakteen, Blumen und hohem Grass. Die Arten von Gärten und die Einrichtungen von Räumen waren je nach lokalen Gegebenheiten sehr unterschiedlich, aber immer waren sie Orte des Nachdenkens, der Freude und der Inspiration und wurden zum Anziehungspunkt für Besucher und zur Quelle von Freundschaften. In meiner Umgebung und meiner Gesellschaft sollten sich alle wohl und zuhause fühlen.

Während meiner beruflichen Tätigkeit musste ich immer den Aufenthaltsort wechseln und mich immer wieder von Neuem einrichten. Einzig das Elternhaus in Davos blieb mir anhänglich, verlieh meinem unsteten Leben Stabilität und gab mir die zum Schreiben nötige Ruhe. Im Laufe der Jahre wuchs das Haus zu einer eigenen, farbigen Persönlichkeit heran, einem selbstständigen Lebewesen, das die Besucher von Zimmer zu Zimmer durch verschiedene Kulturen führte, sie inspirierte, verzauberte, in ferne Welten mitnahm und schliesslich doch wieder zurück zu sich selbst führte. Statuen, Gebrauchsgegenstände, Bücher und Bilder wurden dabei zu Mitbewohnern und schnell zu vertrauten Freunden. Trotz des hohen Alters sprühte das Haus vor Leben und weigerte sich standhaft, Museum für Erinnerungen zu sein; es verblieb ein grosszügiger Gastgeber für Besucherinnen und Besucher jeder Herkunft und jeden Alters. Kein Raum glich hier dem anderen, und doch waren alle Räume Teil eines gleichen Hauses, einer gleichen geistigen Welt – und auf dem Balkon konnte man den Himmel sogar mit Händen greifen und leuchten sehen, bei Tag und bei Nacht.

Im Gleichgewicht zwischen Materie und Geist: Höhenflüge und Bodenhaftung 

Mein suchtartiges Bedürfnis, überall Hand anzulegen und zu gestalten war wohl nötig, um mich im Gleichgewicht zu halten und mit den Füssen auf der Erde zu bleiben. Denn so sehr meine Sinne in der Natur verwurzelt waren, so sehr suchte mein Geist sich loszureissen von der Wirklichkeit und mich in das Reich der Phantasie zu entführen. Ich verbrachte meine Zeit zwar in der Wildnis oder im Krieg und beschäftigte mich dabei mit sehr irdischen Dingen, aber in meinem Innern lebte ich gleichzeitig auch in einer anderen, nicht direkt greifbaren Welt. Es waren Bücher, die mir das Tor zu dieser Welt geöffnet hatten, und es waren Landschaften, Kulturen und lebende Menschen, denen ich in dieser fremden Welt schon als Halbwüchsiger begegnet war. Durch Bücher lebte ich schon früh in einer anderen, fernen Welt, einer Welt, die ich in meinem späteren Leben mit eigenen Augen sehen und erleben sollte. Bücher waren die Versuchung meiner Jugend, ich erlag ihr und folgte ihr bis ans Ende, hin bis zum Verfassen eigener Bücher.

 Expeditionen und Entdeckungsreisen

Ich wartete nicht, bis äussere Umstände mich in schwierige Situationen brachten, sondern suchte freiwillig und ohne Zwang Herausforderungen und Schwierigkeiten physischer und geistiger Art – als ob ich zuhause und in mir selbst etwas vom Leben verpassen könnte. Ob im hohen Norden in Lappland, in der Wüste, im Urwald, im Himalaya, auf der Insel Flores in Indonesien, im Pamir Gebirge oder in der Savanne, überall unternahm ich zum Teil grosse physische Strapazen auf mich, um mich zu exponieren, Neues zu erleben und mir selbst Lebensfreude und neue Energie zu schenken. Wo es ging, besuchte ich auch Stätte fremder Kulturen, stieg in Ägypten auf eine Pyramide und fuhr ins Tal der Könige, schwamm in Allahabad im heiligen, vergifteten Ganges, war Zeuge einer Einäscherung in Varanasi (Benares), sah den Taj Mahal in einer Vollmondnacht, besuchte den goldenen Tempel der Sikh in Amritsar und den Wohnort des Dalai Lama im indischen Dharmasala, betrat die von Affen bewachten Pagoden in Bali, stieg hinauf auf die (damals noch unzerstörte) grosse Buddha-Statue in Bamiyan in Afghanistan, bewunderte Tempel in Katmandu in Nepal und die blauen Moscheen in Samarkand und Bukhara in Usbekistan oder jene in  Mazar-el-Sharif und Herat in Afghanistan; einzig zum Besuch einer Synagoge fehlte mir die Gelegenheit. Meine Zeit in Afrika war geprägt von unendlich langen Märschen unter oft schwierigen Umständen, auch hier stets mit dem Ziel, neuen Kulturen physisch zu begegnen und dabei wildfremde Menschen ein Stück weit durch ihr Leben begleiten zu dürfen.

Ein Leben mit Tieren

Ich liebe Pferde und auch Hunde, und so hätte ich mein Leben gerne auf einer grossen Farm verbracht, wäre dort über endlos weite Felder und durch Gewitter bis an den Horizont galoppiert; Hunde hätten mich bellend begleitet. Gerne hätte ich auch später eigene Tiere gehabt, Hunde und vor allem Pferde, aber dieser Traum sollte mir – aus Mangel an Geld und aus Platzgründen – leider unerfüllt bleiben. Während meiner Jugendzeit in Davos beobachtete ich noch vor Schulbeginn am frühen Morgen Rehe und Hirsche, machte Tonbandaufnahmen von Vogelstimmen im Wald und beobachtete Gemsen, Steinböcke und Schneehasen in den Felsen.  Mein Interesse an Tieren und Vögeln führte mich in Jugendjahren in viele Zoos in Europa (so in Stockholm, Kopenhagen, Hamburg, Basel und Zürich) und später auch in die erbärmlichen zoologischen «Gärten» (eigentlichen «Tiergefängnissen») in Khartoum und in Malakal im Sudan. Während meinen ersten Reisen durch Ostafrika durchquerte ich die meisten der grossen Naturreservate (Serengeti, Ngongoro, Amboseli, Tsavo, Mount Elgon, Masai Mara, Nairobi usw.) und im Nordsudan besuchte ich die Kamelmärkte von Omdurmann und verbrachte viele Abende in der aufregenden Gesellschaft von Katzen, Tauben, Ziegen und Eseln. Zoos und Wildpärke täuschen eine physische Nähe zu Tieren nur vor und lassen kaum erahnen, wie erregend es sein muss, diesen Wildtieren schutzlos in der freien Natur zu begegnen. Meine Forschungszeit im Südsudan verbrachte ich unter harschen, in jeder Hinsicht erbarmungslosen Lebensbedingungen, aber was die Tier- und Vogelwelt betrifft, lebte ich hier in einem eigentlichen Paradies (auch wenn dieses «Paradies» für die Tiere selbst auch nicht immer von friedlichem Zusammenleben geprägt war). In meiner Heimstätte wohnte ich in Gesellschaft von über zwanzig Hunden, fünfzig Hühnern, einem Varan, einer jungen Antilope und (gelegentlich) einem Sattelstorch, – von pissenden Fledermäusen, gefährlichen riesigen Tausendfüsslern, tödlichen Giftschlangen, Schwärmen von Stechmücken und Glühwürmern, Armeen von Ratten, Spinnen und aller Art von ekligem Ungeziefer ganz zu schweigen. Während meinen zahllosen Expeditionen waren Begegnungen mit Wildkatzen, Giraffen, Antilopen, Schlangen, Zebras, Krokodilen, Servals oder Hyänen nicht aussergewöhnlich, nur Leoparden, meine vermeintlichen Artgenossen[1], kreuzten nie meinen Weg.

Steine und Flechten

Im Gegensatz zu vielen Menschen in Davos war ich an Pilzen nie interessiert. Meine Liebe galt Blumen, Steinen und Flechten, von welchen ich eine inspirierende Kraft verspürte. Einen Stein in den Händen zu halten gab mir ein Glücksgefühl, und Flechten zu berühren war ein sensuelles, fast erotisches Erlebnis. Die Wärme, die Weichheit und die Kanten der Felsen liessen mich verschmelzen mit der Materie und erlaubten mir, mich für einen Augenblick von meinen Gedanken zu lösen und mich selbst zu vergessen. Überall in der Welt suchte ich Steine, prüfte sie nach Farben, Zeichnungen und Formen und trug die schönsten unter ihnen nach Hause. Meine ausländischen Mitarbeiter hielten mich für einen Geologen, die Einheimischen für einen Witchdoctor. In Lokichokio im Norden Kenyas baute ich einen blühenden Garten aus lauter Steinen – jeden Morgen bewässerte ich sie. 

Sportliche Aktivitäten und Anlässe

Nebst eigenen sportlichen Betätigungen wie Bergsteigen, Klettern (in Graubünden und den Calanques bei Marseille), Reiten (in Davos aber auch in Verden an der Aller, im Englischen Garten in München oder in der Camargue in Südfrankreich), Tennis (in Nairobi), Segeln (auf dem Davoser See, dem Lac Léman in Genf und im Mittelmeer bei Marseille) und Schwimmen (im Mittelmeer, in der Nordsee in Deutschland und in Norwegen, im roten Meer in Port Sudan, im Golf von Bengalen in Cox’s Bazar, im Pazifik im Big Sur in Kalfornien, in den Skärgården bei Stockholm, in den traumhaft schönen Seen Schwedens, im eiskalten Davosersee oder im einzigartigen Schwimmbad von Klosters) interessierte ich mich für Sport im Allgemeinen und besuchte Sportanlässe, wo immer sich dazu Gelegenheit bot. Dazu gehörten natürlich Eishockeyspiele, Eisschnelllauf und Eiskunstlauf Meisterschaften auf der berühmten Davoser Natureisbahn, auf welcher jeweils anfangs März auch ein spannendes Concours hippique auf Schnee stattfand. Ich besuchte Ski- und Langlaufrennen in Davos und LeBrassus, Pferderennen in Maienfeld, Merano, Hamburg, München und England, ein Windhunderennen, ein Stockcar-Autorennen und eine Flugschau in England, eine Landhockey-Weltmeisterschaft während meiner Zeit in Barcelona, ein Leichtathletik-Meeting in Zürich und wohl anderes mehr; an einem Fussballmatch war ich nur einmal als Zuschauer dabei (in Genf), aber ein Spiel von American Football konnte ich in Stanford in Kalifornien erleben. Das Roland Garros Tennisturnier (in Paris) habe ich mehrmals besucht und dort Spielern wie Ivan Lendl, Stefan Edberg, Mats Wilander und John McEnroe zugeschaut; auch in Genf und in Wembley (in London) habe ich ein Tennisturnier besucht. Beim Sertiger Schwingfest in Davos war ich natürlich auch mehrmals Zuschauer, und während meiner Zeit in den Nuba Bergen im Sudan wurde ich faszinierter Zeuge der berühmten Ringkämpfe kraftstrotzender junger Nuba Männer.

Alkohol und Tabak

In meinem Elternhaus wurde nur ausnahmsweise Alkohol getrunken und geraucht und deshalb wurde auch nie darüber geredet. Ich verbrachte meine Zeit in den Bergen und geriet schon deshalb nie in Versuchung, zu rauchen – nicht einmal Haschisch. Mein heftiger Jugendtraum, Alkoholiker zu werden, um betrunken im Strassengraben zu liegen und irische oder walisische Gedichte zu schreiben, erfüllte sich leider nicht… …aber als ich mit sechzehn Jahren von meiner Schwester eine Pfeife erhielt, begann ich eine Gewohnheit, der ich ein Leben lang treu bleiben sollte: Pfeife rauchen passte zu meinem Bedürfnis, Ruhe zu bewahren, gab mir Zeit zum Nachdenken und leistete mir Gesellschaft in Zeiten von Einsamkeit. Da ich den Tabakrauch nicht inhalierte und ständig unterwegs war, hielt sich der Schaden an meiner Lungenkapazität in Grenzen. Während meiner Forschungszeit gab es keine alkoholischen Getränke (ausser das selbstgebraute Hirsebier, das ich nicht mochte), aber Tabak wurde zum Schlüssel meiner Bemühungen, mit Einheimischen in Kontakt zu kommen: denn Tabak war dort nicht nur Opfergabe für Naturmächte sondern auch das einzige Mittel, die Liebe der Mädchen zu gewinnen! Hätte ich nicht geraucht, wäre mir der Zugang zu Menschen und vor allem zu jungen Frauen verschlossen geblieben! Alkohol war in meinem Leben viel weniger wichtig als Tabak; erst nach meiner Rückkehr in die Schweiz begann ich, jeden Abend zwei-drei Gläser Rotwein zu trinken, aber betrunken werden und deshalb meinen Verstand verlieren gelang mir leider nie – nach grösserem Alkoholkonsum wurde mir schlecht.

Entbehrungen und Krankheiten

Die grössten Anforderungen an meine physischen Kräfte stellten sich mir während meiner Forschungszeit im Südsudan: tagelange Märsche durch Sumpf und Savannah brachten mich an den Rand der Erschöpfung. Zu jener Zeit war ich sehr stark, zäh, widerstandsfähig, ausdauernd, von einem starken Willen beseelt und deshalb fähig, auch grosse physische und psychische Schwierigkeiten zu überwinden. Ich war nie verwöhnt gewesen und hatte kaum Ansprüche auf Bequemlichkeiten, aber spätestens im Südsudan lernte ich, mich mit dem Allernötigsten zufrieden zu geben. Auf eine manchmal fast wundersame Weise überlebte ich Hunger, Hitzschlag, tödliche Schlangenbisse, Kugelgewitter, Bombenabwürfe und Krankheiten wie Malaria, Amöbiasis, Salmonellose, Typhus und Hepatitis. Mein Körper und meine Schutzengel liessen mich nie im Stich, hatten mich schon in der Jugend vor Lawinen und Steinschlag geschützt. Nur als Zwölfjähriger hatte ich mir bei einer Skitour auf dem Bühlenberg ein Bein und gut sechzig Jahre später beim Skifahren auf dem Rhinerhorn das Schambein gebrochen. Im Alter musste ich allerdings an meinem überstrapazierten Rücken und an einem bösartigen Prostatakrebs operiert werden.

Ferien und Reisen

Ich war ein Leben lang unterwegs, aber die Lust, irgendwohin zu reisen, um Ferien zu machen, mich zu erholen und mich zu vergnügen, blieb mir fremd. Ich hatte viele Jahre in Frankreich, Skandinavien, im Kongo, in Indien und Bangladesch, im Sudan, in Afghanistan und in den Ländern Zentralasien verbracht und viele andere Länder während Reisen und Expeditionen kennen gelernt. Aber weil ich die «exotischen» Seiten des Lebens von meiner Arbeit her kannte, musste ich sie nicht auch noch während meiner Ferien suchen: meine Freizeit verbrachte ich deshalb immer in Davos bei meinen Eltern oder folgte Einladungen meiner Freunde nach Skandinavien, Frankreich oder Amerika. Im Alter hätte ich gerne Europa und im Besonderen die Schweiz bereist; ausser Paris, Marseille, London, Oslo, Upsala und Stockholm hatte ich keine grösseren Städte in Europa besucht, und auch in der Schweiz kannte ich mich nur in Genf, Bern und Zürich einigermassen gut aus. Aus finanziellen Gründen musste ich aber auf solche späten Entdeckungsreisen verzichten; dieser Verzicht schmerzte mich aber nur insofern, als ich meinen Lebensabend doch allzu gerne noch durch kulturelle Erlebnisse bereichert und etwas an- und aufregender gestaltet hätte.

Eine Zeit fernab des europäischen Kulturlebens

Den aktiven Teil meines Lebens verbrachte ich in der afrikanischen Wildnis oder in kriegsversehrten Ländern. Diese Zeit war aufgefüllt vom Versuch, zu überleben und Schwierigkeiten zu überwinden und bestand aus dem Bestreben, das Elend von Menschen in Not zu lindern. Dabei gab es kaum Gelegenheiten, mich kulturell zu engagieren oder weiter zu bilden – vom Versuch, fremde Kulturen zu verstehen, natürlich abgesehen. In der Wildnis gab es zwar Tanz, Trommeln und Gesang aber keine Konzerte, Filme oder Theater; der Krieg liess ohnehin keinen Raum für kulturelle Veranstaltungen oder Vergnügungen. Zum Lesen von mitgebrachten Büchern fehlte mir die Zeit und meistens auch die Lust; die Wirklichkeit war Drama genug. Die Bilder vom Krieg zeigten das Elend der Menschen, waren dabei umrahmt von einer trügerisch schönen Landschaft. Nach Kunst sehnte sich hier niemand. Persönliche Kunsterlebnisse blieben deshalb auf meine Jugendzeit und aufs Alter beschränkt.

Erinnerungen an musikalische Erlebnisse

Mein Vater interessierte sich für Literatur und Kunst, meine Mutter begeisterte sich für Operngesang, aber ausser in Büchern oder am Radio gab es in Davos kein wirkliches Kulturleben – von Vorträgen von Schriftstellern und Wissenschaftlern abgesehen. Meine Schulzeit war reich an Aktivitäten aber in kultureller Hinsicht – von Büchern abgesehen – eher karg. Dies sollte sich während meiner Studienzeit ändern. Obwohl Literatur und Natur (Klettern in den Calanques, Bergtouren in den Alpes Maritimes, den Cevennen und in Nordindien, Expeditionen in Lappland etc.) immer noch mein physisches Leben bestimmten, nutzte ich alle möglichen Gelegenheiten, kulturelle Veranstaltungen zu besuchen. Dazu gehörten Jazzkonzerte von Abdallah Ibrahim (im Africana in Zürich und Thusis) und das Jazzfestival in Juan-les-Pins an der Côte-d’Azur, wo ich während dreier Jahre Zeuge von ergreifenden Auftritten von Musikern wie Jerry Mulligan, Thelonious Monk, Eric Dolphy, Miles Davis, Charly Mingus oder Sarah Vaughan sein durfte. Meine Studienzeit fiel in die Epoche des Vietnamkriegs, welche Sänger und Poeten wie Leonhard Cohen, Bob Dylan und Joan Baez und Musiker wie Theodorakis und Ravi Shankar hervorbrachte. Als geborener Freiheitskämpfer teilte ich ihren Aufstand gegen Diktaturen in Europa und Südamerika, ihre Empörung über den Krieg in Vietnam und ihre Hoffnung auf Frieden. Meine täglichen Begleiter während der Studienzeit waren aber der «Club des Poètes» und Liedermacher/Chansonniers wie Jacques Brel, Georges Brassens, Barbara, Jacques Bertin, Jean-Pierre Ferland, Michel Aubert, Serge Lama, Julien Leclerc in Frankreich, Poeten wie Evert Taube, Sven-Bertil Taube, Cornelis Vreeswijk, Michael Bellman, die Interprationen der Texte von Nils Ferlin, DSan Anderson und Jonas Almqvist) in Schweden und Sänger wie Fabrizio di André in Italien, Paco Ibanez in Spanien, Ramon in Katalonien oder Sängerinnen wie Violetta Parra und Sänger wie Atahualpa Yupanqui in Südamerika. Yupanquis Kriegsschrei «Basta Ya!» («Es ist genug!») war damals auch mein eigener Aufruf zum Kampf gegen Unterdrückung, Ausbeutung, Grausamkeit und soziale Ungerechtigkeit.

In späteren Jahren würde ich auch das Musical «Hair» (in der Originalaufführung in London) und unter anderem Konzerte von Sting, Barkley James Harvest und Angelo Branduardi (in Zürich), Santana (in Paris), U2 (im kalifornischen Oakland), der Tibeterin Dechen Shak-Dagsay (in Davos) und meines Seelenverwandten Konstantin Wecker (in Lindau) besuchen können. Bruce Springsteen, Marianne Faithful, Tom Waits, Van Morrison, Tracy Chapman, Sting, Pink Floyd, Toni Childs, Daniel Lanois und (später) Norah Jones, Nathalie Merchant, Geoffrey Oryema, und Anouar Brahim gehörten zu meinen bevorzugten Musikern.

Musikerlebnisse erfüllten mich natürlich auch während meiner Zeit ausserhalb Europas, in Indien aber ganz besonders in Afrika (und dort im Kongo), wo die Musik meine Seele zum Vibrieren brachte und meine Sinne verzauberte. Von aller Art von Musik steht mir jene aus Afrika auf eine magische, fast physische Art emotional immer noch am nächsten.

Klassische Musik höre ich am meisten und also auch am liebsten, aber klassische Konzerte habe ich nur wenige besucht; jene in Aix-en-Provence in Südfrankreich blieben mir – vielleicht wegen dem Zauber des früheren Erzbischofpalasts – in besonders romantischer Erinnerung. In München wurde Johann Sebastian Bachs «Matthäus Passion» (mit dem weltberühmten Davoser Tenor Ernst Häfliger) zu einem grossartigen Kunsterlebnis, und natürlich werde ich auch Verdis «Aïda» (im Amphitheater in Verona), Bizets «Carmen» (in Zürich) und – allerdings nicht aus musikalischen Gründen – Camille Saint-Saëns «Samson und Dalila» (in Taschkent) nicht vergessen. Seltene Kunsterlebnisse sind oft auch wunderbare Erinnerungen an besonders liebevolle Begleiterinnen.

Darstellende Kunst: Ballett, Theatererlebnisse und Kleintheater

Froh bin ich, dass ich auch zwei wunderbare Ballettvorführungen sehen durfte und dabei meine Voreingenommenheit gegen Ballett überwinden konnte: die phantastische Vorstellung des Modern Dance Ballett (in London) und Maurice Béjarts spektakuläres Ballett über die Französische Revolution (in Paris) gehören zu den Höhepunkten meiner künstlerischen Erlebnisse. Ein Ballett von Donkosaken in Bischkek in Kirgistan blieb mir aber nur unvergesslich, weil sich dort einer der Tänzer während eines hohen Sprunges das Bein brach – es war tragisch-komisch, das mitansehen zu müssen.

Theatervorstellungen besuchte ich aus praktischen Gründen ganz selten: ich wohnte kaum je in einer grossen Stadt. An eine Aufführung von «The Taming of the Shrew» in Stratford-upon-Aven, der Geburtsstadt von Shakespeare, mag ich mich nur noch schemenhaft erinnern (ich war erst fünfzehn Jahre alt) aber die Aufführung von Aischylos’ «Die Perser», die ich ebenfalls in noch jungen Jahren im Residenztheater in München sehen durfte, ist mir heute noch als Markstein in meiner geistigen Entwicklung im Gedächtnis geblieben – sogar an den Namen des Regisseurs mag ich mich noch erinnern!

Durch glückliche Umstände (meine Schwester war Präsidentin der Kunstgesellschaft Davos) wurde ich zum regelmässigen Besucher des Davoser Kleintheaters und liess mich dort oft von hervorragenden Künstler und Künstlerinnen in Höhen und Tiefen der Gefühle führen. Zu solchen unvergesslichen Künstlern und Künstlerinnen gejörte vor allem Uta Köbernick, eine von mir damals sehr bewunderte deutsche Kleinkunst-Artistin voller Tiefsinn, Charme, Witz und kritischer Weitsicht.

Malerei und Museen

Ich wuchs in einer Malerfamilie auf, und so war die Nähe zu Gemälden eine Selbstverständlichkeit. Mein Vater besass eine grosse Sammlung von Büchern über Maler und gab uns Kindern sein Interesse an Kunst mit auf unseren Lebensweg. Wo immer möglich, besuchte ich während meines Lebens Museen und Ausstellungen von Künstlern, so unter anderem die vielen Kunstmuseen in Paris, in Zürich, die Pinakothek in München, das Moderna Museet in Stockholm, das Munch Museum in Oslo, das Louisiana Museum bei Kopenhagen, das Kirchner Museum in Davos oder auch die Museen in Taschkent in Usbekistan und in Bischkek in Kirgistan. Auch viele ethnographische Museen besuchte ich, so in Kairo, in Kabul, in Zentralasien, in Stockholm, in der Schweiz und in Paris.

In unserem alten Haus in Davos befinden sich zwar einige Bilder von afrikanischen Malern, eine tibetische Thangka (Rollbild des tantrischen Buddhismus), Batik-Gemälde aus Indonesien, kunstvolle Stickereien aus Indien und Buchara in Usbekistan, viele gewobene Teppiche aus Afghanistan, mehrere Gemälde meines Grossvaters und Jugendstil-Malereien, aber es sind die kleineren, aus aller Welt zusammengetragenen Gegenstände und Instrumente, welche das Haus im Laufe der Zeit zu einem Museum der Erinnerungen heranwachsen liessen. Bilder und Gegenstände haben kaum einen materiellen Wert und sind meist nur kostbare Beispiele der Handwerkskunst und des künstlerischen Schaffens von einfachen Menschen aus aller Welt.

Ein Leben mit Büchern

Meine frühe Liebe zu Büchern brachte mich zum Studium von Sprache und Literatur, und das Gefühl einer Seelenverwandtschaft mit Albert Camus und dem schwedischen Dichter Gunnar Ekelöf führte mich auf direktem Weg nach Frankreich und auf etwas indirekte Weise später bis nach Schweden. Im Nachhinein ist es schwierig zu sagen, welche Autoren und Dichter mich beeinflusst hatten, damals war die ganze Jugend in Aufruhr und im Aufbruch zu neuen Horizonten begriffen. Landschaften, künstlerische Erlebnisse, politische Ereignisse und die Suche nach Liebe trugen wohl zu meinem Bildungsprozess bei, zu einer intellektuellen und politischen Unruhe und einer emotionalen Hingabe. Ich war sowohl Romantiker wie Rebell, ein Träumer und Anarchist zugleich, beseelt von einem naiven Glauben an das Gute und Schöne auf dieser Welt. Freunde aller Herkunft begleiteten mich auf diesem abenteuerlichen Weg und blieben mir treu, auch in schwierigen Zeiten und auf steinigen Pfaden, in Höhen und Tiefen und den Weiten der afrikanischen Savanne.

Da ich französische und danach schwedische Literatur studiert hatte, gehörte der reiche Kulturschatz dieser Länder zu meinem geistigen und humanitären Bildungsweg. Es waren Bücher, nicht Menschen, welche mir schon in der Jugendzeit einen Weg in andere Kulturen geöffnet hatten. In Hermann Hesses Buch «Der Steppenwolf» hatte ich instinktiv eine intensiv pulsierende Blutverwandtschaft verspürt; im Rückblick erscheint mir dieses Buch wie eine Vorzeichnung meines späteren, von Einsamkeit geprägten aber auch durch Humor erhellten Lebenswegs. Doch auch Colin Wilsons Analyse «The Outsider», welche ich ebenfalls zur Schulzeit gelesen hatte, war so etwas wie die Erkenntnis meiner Identität als Aussenseiter. Es wäre schwierig, alle Namen jener Dichter und Schriftsteller aufzuzählen, die mir – zu unterschiedlichen Zeiten – lebenswichtig waren, aber der schwedische Dichter Gunnar Ekelöf, der französische Schriftsteller Albert Camus und der Philosoph, Humanist und Essayist Michel de Montaigne gehörten ohne Zweifel zu jenen Menschen, in deren Werken ich mich wiedererkennen konnte, die früh zu meiner geistigen Entwicklung beigetragen haben und die mich ein Leben lang begleitet haben.

Meine besondere Liebe während meines ganzen Lebens gehörte den Werken von Dichtern, unter ihnen Fernando Pessoa, Giuseppe Ungaretti, Konstantin Kavafis, Ezra Pound, Rafael Alberti, Giorgios Seferis, Hermann Hesse, Robert Creeley, Majakowski, Juan Ramon Jimenez, David Rokeah, Dylan Thomas, Günther Eich, Bertold Brecht, David Rokeah, Thomas Eliot, Paavo Haavikko, Vincente Huidobro, Paul Eluard, Arthur Rimbaud, Pablo Neruda, Jannis Ritsos, Rainer-Maria Rilke, Hans Magnus Enzensberger, Sergej Jessenin, Marina Zwetjewa, Ingeborg Bachmann, Andreas Gryphius, Nelly Sachs, Laurence Ferlingetti, Jack Kerouac, Allen Ginsberg, Volker von Törne, Albrecht Goes, Pier-Paolo Pasolini… um nur einige wenige meiner Lieblingsdichter zu nennen.  

Vom Studium der Literatur zur Ethnographie

Meine ungestüme, unkontrollierte Liebe zur Literatur wurde während des Studiums diszipliniert und in intellektuelle Bahnen gelenkt. Ich hatte das grosse Glück, in Zürich die Vorlesungen der beiden berühmtesten Literatur-Professoren ihrer Zeit, des Belgiers Prof. Georges Poulet und Prof. Paul de Man von der Yale-University, besuchen zu dürfen; sie eröffneten mir einen völlig neuen Zugang zur Literatur und machten das Studium zu einem faszinierenden, Sinne und Geist ergreifenden Erlebnis. Bei Prof. de Man verfasste ich eine Dissertation über die Dichter Gunnar Ekelöf und Stéphane Mallarmé; es war eine intellektuell äusserst fordernde Arbeit, welche zwar mit dem Attribut «summa cum laude»» ausgezeichnet wurde, mir im Rückblick aber wie ein kühner (scheinbar geglückter) Akrobatenakt hoch über den Köpfen gewöhnlicher Leute erscheint. Später würde ich mich hüten, solch allgemein schwer verständliche Studien zu verfassen und mich bemühen, einfach und leicht verständlich zu schreiben, mich mit meiner Sprache immer nahe bei den Menschen zu bewegen.

Auf Empfehlung von Prof. de Man wurde ich schon mit sechsundzwanzig Jahren zum Professor für französische Literatur (an der holländischen Universität in Kisangani im Kongo) gewählt. Die Zeit im kriegsversehrten Kongo war politisch aufwühlend, gefährlich, frustrierend und in beruflicher Hinsicht unbefriedigend; erst an der Universität von Khartoum, dem Ort meines nächsten Lehrauftrags, würde ich das Privileg, junge Studenten in die Welt der Dichtung einführen zu dürfen, schätzen lernen und geniessen können. In Khartoum war ich glücklich, und dennoch trieb mich mein Wissensdrang schon nach zwei Jahren in den Südosten des Sudans, mit dem Ziel, in der abgeschiedenen Wildnis afrikanischer Savanne nach den Wurzeln literarischer Kreativität und dem Wesen von mündlicher Literatur zu suchen. So gelangte ich über das weite Feld der Literatur zur Ethnographie. Ich verstand Ethnographie als eine Art von lebender, physisch greifbarer Literatur, ein offenes, von Menschen geschriebenes Buch, dessen zunächst unverständliche Sprache es zu erlernen und zu verstehen galt. Fünfzehn Jahre dauerte es, bis ich meine Forschungen abgeschlossen hatte (und fünfundzwanzig weitere Jahre, bis die achtbändige Monographie publiziert war).

Ethnographische Bücher

Aus Passion für fremde Kulturen und in Vorbereitung meiner eigenen Feldarbeit im Sudan hatte ich natürlich auch Bücher bekannter Ethnologen verschlungen, dabei aber nur bei Michel Leiris und in Lévy Strauss’ Buch «Tristes Tropiques» jene Qualitäten gefunden, die ich während meinen eigenen Forschungen suchte und an denen ich meine eigene Arbeit messen wollte: der menschlichen, auch emotionale Nähe zu fremden Kulturen auf verständliche, berührende Weise Ausdruck zu geben und dabei auf Theorien zu verzichten. Ich wollte nicht über fremde Kulturen schreiben als wären sie abstrakte Objekte, sondern das tägliche Leben der Menschen in den Mittelpunkt meiner Berichte stellen. Ich hoffe, in meinen Büchern und Vorträgen diesem Anspruch an menschliche Nähe gerecht geworden zu sein und durch meine Bücher einen Beitrag zum Kampf gegen Rassismus geleistet zu haben.

Sprachen

Sprache war immer wichtig für mich, erfüllte mein Bedürfnis, mich zu öffnen und mich anderen Menschen zu nähern, gab mir dabei aber auch Einblicke in mein eigenes Innenleben; Sprache erlaubte mir, zu gestalten, mich in der Welt zurecht zu finden und mich in ihr einzurichten. Ich begann in sehr jungen Jahren zu schreiben (auf einer alten Olympia-Schreibmaschine) und das Schreiben (von Briefen, Berichten und Büchern) wurde zu einer Sucht, der ich mich zeitlebens nicht entziehen konnte – nicht einmal während meiner Jahre in der Wildnis (ich nutzte sie, um ein grosses Wörterbuch der einheimischen Anyuak Sprache zu verfassen). Wo immer ich war versuchte ich, auch fremde Sprachen zu verstehen, aber meine Bemühungen, Marati, Vietnamesisch, Urdu, Lingala oder Farsi zu lernen, scheiterten allesamt kläglich, und auch meine Spanischkenntnisse (ich besuchte eine Schule in Barcelona) und mein Arabisch (ich nahm Unterricht in Khartum) blieben rudimentär und versickerten im Laufe der Jahre; schliesslich «beherrschte» ich nur noch Deutsch, Französisch, Englisch, Schwedisch und Anyuak; Norwegisch verstand und sprach ich immerhin auch einigermassen gut.

Mein persönlicher Einsatz für Frieden, Kulturen und Menschenrechte

Während meiner Jugendzeit war ich ein aufständischer Rebell gewesen, war getragen von der Vision von Liebe und Gerechtigkeit. Die Anliegen der 68er-Generationen entsprachen meinem eigenen Denken, aber wie bei Leonard Cohen lag mir die poetische Version des Aufruhrs als Vision von Frieden und Freiheit näher als der laute, rein physische Kampf gegen die Unterdrücker und Ausbeuter.

Ein politischer Mensch war ich im Grunde nicht, aber mein Hass auf Rassisten, mein Einsatz für Menschen in Not und mein Kampf gegen alle Arten von sozialer und menschlicher Ungerechtigkeit gaben mir den Ruf eines Kämpfers für Menschenrechte und Frieden. Meine Einstellung zum Leben war getragen von der Überzeugung, dass man nicht Mensch sein kann, wenn man andere Menschen nicht respektiert und ihnen das Recht auf Würde und Wohlergehen verweigert.

Das friedliche Zusammenleben von Kulturen stand – zunächst als Berater von Unicef und danach als langjähriger Friedensberater der Schweizer Regierung – im Focus des letzten Abschnitts meines Berufslebens. Es bestand im Versuch, den Respekt der Würde aller kulturellen Identitäten zu fördern und die verschiedenen Kulturen zu einer produktiven Zusammenarbeit zu bewegen. Das Projekt fand die Unterstützung aller Stämme im Südsudan, nur die Regierung fürchtete die «Macht des Volkes» und versuchte, das Friedensprojekt abzuwürgen; aber als die Schweizer Regierung beschloss, das Friedensprojekt der neugeschaffenen Regierung zu überlassen, fehlte es den Stämmen an eigener Kraft, um Frieden zu schaffen; die Hoffnung auf friedliche Koexistenz der Stämme versank im Sumpf der Politik und führte zu neuen Gräueltaten. Mit dem Schweizer Friedensprojekt hätten Tausende von Menschenleben und ganze Kulturen gerettet und die Voraussetzungen für eine friedliche Entwicklung geschaffen werden können.

Der Lohn von Gastfreundschaft

Ein Haus kann luxuriös eingerichtet und idyllisch gelegen sein, ohne Besucher ist das schönste Haus nur ein trostloser, armseliger, von allen guten Geistern verlassener Unterstand – aber in guter Gesellschaft kann eine Hütte zum leuchtenden Palast werden! Meine Eltern liebten Besucher, und was ich ihnen von meinen Reisen mitbringen konnte waren Freunde aus aller Welt – zunächst aus Frankreich und Skandinavien, danach aber aus all jenen Ländern, wo ich gelebt hatte[2]. Die Tradition von Gastfreundschaft überdauerte den Tod meiner Eltern und gab mir die Kraft, auch im Alter Zeiten der Einsamkeit zu überleben und in Gesellschaft von zunehmend jüngeren und jungen Freundinnen und Freunden fröhlich und zuversichtlich zu bleiben.

Was mir das Leben brachte und was es mir hinterliess

Ausser eigenem Vermögen hatte ich alles in meinem Leben, auch feste Beziehungen, aber die äusseren Umstände liessen es (leider?) nicht zu, eine Familie zu gründen; mein Leben in Freiheit war Fluch, Versuchung, Verheissung und Hindernis zugleich. Weil ich mich nicht von einer Person binden lassen wollte oder konnte (oder mir die Gelegenheit und nötige Überzeugung dazu fehlte), musste ich mich aber auch nicht scheiden lassen: die physisch oft sehr engen Beziehungen zu Frauen und starke Freundschaften mit Schul- und Arbeitskollegen oder mit einheimischen Mitarbeitern überdauerten Jahre der physischen Trennung und leben bis heute weiter, halten mich immer noch am Leben und geben mir die nötige Lebensenergie und Freude. Finanzielle Unterstützung durch Bekannte, Sympathisanten und Berufskollegen und unverwüstliche Banden der Freundschaft waren der grosse Lohn meiner Bemühungen um Frieden, Kulturen, Menschenrechte und das physische Wohlergehen vieler Menschen[3].

«Erschöpfung trocknet mich aus, aber sie wird meiner nicht habhaft: neben mir lacht noch das letzte Leuchten der Jugend. Alles habe ich nun bekommen, was ich gewollt: sogar weiter bin ich gegangen als gewisse Hoffnungen der Welt mir verhiessen: entleert bist du nun hier, in meinem Innern, füllst meine Zeit und die Zeiten. Vernünftig war ich und irrational, beides bis auf den Grund. Nun aber… oh, Wüste, betäubt vom Wind, von der herrlichen und schmutzigen afrikanischen Sonne, welche die Erde erleuchtet…»

Pier-Paolo Pasolinis melancholischer Rückblick auf sein bewegtes Leben könnte wohl auch für mich Gültigkeit besitzen.

  1. PS.

Rückblick auf ein verschwenderisches Leben in Luxus

In einem Lebenslauf fehlen meist Hinweise auf den finanziellen Hintergrund, auf welchem sich dieses Leben abspielte. Weil Geld in meinem Leben (meist auf eine negative Weise) eine grosse Rolle spielte, sei dieser Aspekt zum Schluss doch auch noch erwähnt.

Ohne es zu merken, war ich ein verwöhntes Kind, verwöhnt von der wunderbaren Natur in den Bergen und von Eltern, die sich nicht nur liebevoll um das Wohl ihrer Kinder bemühten, sondern ihnen auch die zur Entwicklung nötigen Freiheiten schenkten. In bitterer Erinnerung bleiben mir dabei allerdings die finanziellen Sorgen meines Vaters, der sich alle vierzehn Tage am Rande des Konkurses wähnte und panische Angst hatte, die Löhne seiner Arbeiter nicht bezahlen zu können; seit jener Zeit sehe ich Geld als Fluch und existentielle Bedrohung – die Furcht vor Arbeitslosigkeit und finanzieller Not begleitete mich mein Leben lang. Geld zu besitzen konnte deshalb nie ein Ziel sein oder gar als Ansporn dienen, es war für mich eine äusserst bedrohliche Angelegenheit. Mein Vater machte sich grosse Sorgen um meine Zukunft, denn allzu offensichtlich war mein Versuch, allen finanziellen Überlegungen aus dem Weg zu gehen; mit einer solchen Einstellung würde ich nie auf einen grünen Zweig kommen. Aber trotz meinen finanziellen Albträumen während der Jugend mangelte es uns Kindern physisch an nichts, wir fühlten uns weder arm noch reich und waren mit unserem Leben zufrieden.

Nie hätte ich mir vorstellen können, dass ich durch den Besitz von Geld hätte glücklicher werden können; einerseits war ich anspruchslos und andrerseits hatte ich stets das Glück, bei meinen Plänen stets von grosszügigen Freunden unterstützt zu werden, während meiner Studienzeit, der Jahre der Forschungen und auch danach. Viel Geld verdienen konnte ich bei meiner Arbeit nie, weder an den Universitäten noch beim Roten Kreuz, aber zum Leben und Reisen reichte es damals allemal. Meine Forschungen (und Publikationen) wurden durch Stipendien (Universität Zürich und Schweizer Nationalfonds), Freunde und mir wohlgesinnten Persönlichkeiten (Prof. Verena Meyer, Dr. Hans Vontobel) unterstützt, und ein sparsames, oft spartanisch einfaches Leben erlaubte es mir, meine beruflichen Ambitionen zu verwirklichen. Erst als Berater von Hilfsorganisationen und der Schweizer Regierung erhielt ich einen guten Lohn für meine Arbeit, aber weil ich es nicht gewohnt war, viel Geld zu besitzen, teilte ich es nun verschwenderisch mit vielen jungen Menschen, die ohne meine Unterstützung keine Zukunft gehabt hätten. «Wenn man kein Geld hat sollte man nicht den Reichen spielen», sagte der französische Sänger Jacques Brel, und ich hätte diesen Rat vielleicht doch befolgen sollen. Meine unzähligen Beiträge an die Studien junger Südsudanesen trugen jedenfalls dazu bei, dass ich nach meiner Pensionierung zwar nicht in finanzielle Schwierigkeiten geriet, mir aber doch keinen Luxus (wie Reisen, Restaurants oder materielle Dinge) leisten konnte. Dennoch fühlte ich mich privilegiert und innerlich reich, denn schliesslich war ich ja im Besitz von zahllosen Juwelen und Diamanten, wunderbar treuen Freundinnen und Freunden aus aller Welt! Die während meines Lebens geäufneten Luxusgüter bestanden also aus interessanten Erfahrungen, einer sinnvollen Arbeit, Begegnungen mit vielen guten Menschen und allgemein aus einem neidlosen Gefühl von Zufriedenheit. Trotzdem blieb mir am Ende meines Lebens ein Gefühl von Schuld: ich hätte den Menschen gerne noch mehr geben oder doch wenigstens meine Schulden begleichen mögen.

Rückblick auf mein geistiges Leben

Über die geistigen Aspekte meines privaten Lebens habe ich in einem Vortrag in der alten Kirche von Monstein am Silvester 2014 sinniert. Religion war für mich nie ein Dogma gewesen, sondern eher eine geistige und praktische Hilfe zum Leben ganz allgemein, im Besonderen zur Natur und dem Schicksal der Menschen. Ob es nun einen «Gott» in meinem Leben gab oder nicht, ich war dankbar für jede Hilfe, die ich von geistigen, mir nicht direkt bewussten Kräften erhalten durfte. In meinem Leben versuchte ich, mein Bestes zu geben und mit mir selbst zurecht zu kommen – in der Hoffnung, dass auch ein barmherziger Gott oder gute Götter mein Bemühen anerkennen und für genügend befinden würden. «Ich habe mich bemüht und mein Bestes gegeben», sagte schon mein Vater, «mehr konnte ich nicht».

[1] Mein einheimischer Name war bekanntlich “Kwacakworo”, was mit “menschenfressender Leopard” (“Nimr akul nas”) übersetzt wurde.

[2] Unter ihnen waren Freunde (und deren Freunde oder Familien) aus dem Südsudan, dem Sudan und Kenia, aus Uganda, Kamerun, Äthiopien, Madagaskar, Russland, Georgien, Ossetien, Usbekistan, aus Afghanistan, Tadschikistan, Turkmenistan und Kazakhstan, aus Indien und China, aus der Türkei und Griechenland, aus Rumänien, Bosnien, Ungarn, Tschechien, Slowenien und der Slowakei, aus China, Bali in Indonesien, Peru, Kolumbien, Argentinien und Brasilien, aus den USA, Canada, Australien, England und Irland, aus Italien, Frankreich, Belgien, Italien, Portugal, Spanien, Finnland, Schweden, Norwegen, Dänemark, Deutschland, Österreich, Liechtenstein und vielen Freunden aus der französischen, der rätoromanischen,der italienischen und der deutschsprachigen Schweiz. [2]

Unter diesen Freunden befanden sich auch in der Öffentlichkeit bekannte Persönlichkeiten wie die ehemalige Rektorin der Universität Zürich, Prof. Verena Meyer, der Physiker Prof. Beckry Abdel Magid, der «High Justice» (höchste Richter) von Kenya Willy Mutunga, der Literaturwissenschaftler Professor Paul deMan, die Rechtsprofessoren Werner Kägi, Daniel Thürer und Andreas Auer, die Bergsteiger-Pioniere André Roch und Georges Livanos, die Schweizer Eishockey-Legende Bibi Torriani, die Ethnologen Serge Tornay, Marc Bundi und Martina Santschi, IKRK-Freunde wie Präsident Cornelio Sommaruga, Vize-Präsident Gilles Carbonnier und André Picot, die Journalisten Skye Wheeler, Nancy Ing, Oswald Iten, Eugen Sorg, Rudolf Küng, und Til Lincke, der Fotograf Alexis Duclos, die Künstlerinnen Patricia Jegher,Uta Köbernick und Maya Rochat, der junge Filmemacher Roman Stocker und viele prominente Politiker des Südsudans (unter ihnen Vize-Präsident Riek Machar und seine Frau Angelina, Präsident Salva Kiir, Peter Adwok Nyaba, John Luk etc.), Persönlichkeiten wie Napoleon Adok Gai und Professor Alfred Lokuji sowie die Anyuak Agada Akway Cam, Adongo Agada und Akway Cam.

Zu den «besten» Freunden, die mir auch physisch durch ihre Nähe bis ins Alter treu geblieben sind gehören (nebst meinen Verwandten und Anverwandten) meine Freundinnen Maria Küchler, Ulrike Schmidt und Marguerite Pillonel sowie meine Freunde Kibrit (Beckry Abdel Magid), Laurent Giger, Pascal und Tamila Mauchle, Ferdinand von Habsburg-Lothringen, Olivier und Jolanda Bischof, mein Ziehsohn im Südsudan Napoleon Adok Gai sowie einige alte Davoser Schulfreunde wie Hans Wehrli und Hans Issler mit ihren Familien.